Die Anthologie ist das Ergebnis eines Prozesses, der so unrein ist wie die Säfte, die er austreten lässt und dabei doch so durchscheinend wie das Pressen von Blüten nur sein kann. Am Wegrand, in Schutthalden, auf Jurawiesen, auch in Pierre Huyghes Garten in Kassel habe ich gepflückt, was mir ins Auge sprang, um zwischen säurefreiem Karton und entspiegeltem Glas auf seine Essenz zu kommen. Wie zerbrechlich diese Anordnung war, davon zeugte das dumpfe Knacken, das mit beunruhigender Regelmässigkeit aus jener Ecke meines Ateliers kam, in dem die vollen Pressen standen und unmissverständlich anzeigte, dass da etwas dem Druck nicht standgehalten hatte. Als Wochen später die Flügelmuttern gelöst und die Ergebnisse besehen wurden, erinnerten die einen mehr an ein zartes, hingehauchtes Aquarell, andere mehr an einen Tintenfleck. Hatte sich hier noch die ursprüngliche Blüte teilweise erhalten, war dort eine formlose Masse an ihre Stelle getreten, die unbestimmbar in tiefbraunen Tönen um sich griff. Unter dem anhaltenden Druck hatten die Blüten Farbe und Wasser an ihren Umraum abgetreten und sich, erst feucht, dann immer trockener werdend, mit ihrer Unterlage und dem aufliegenden Glas fest verbunden. Damit hatten sie den Blick freigelegt auf ihre zuvor verborgene, jetzt durchscheinend gewordene Struktur; ihr Inneres nach aussen gekehrt. Doch das ist erst die halbe Wahrheit.
Während nämlich die Blütenkörper sich mehr und mehr auf eine einzige Bildebene verdichteten, zu der beginnende Zersetzungsprozesse Bläschen und Erdfarben beisteuerten, entstand im Schatten des einen noch ein weiteres Bild. So flüchtig ist es, dass es dem Tageslicht nicht standzuhalten vermag und, von diesem überstrahlt, erst sichtbar wird, wenn man das Glas in den Schatten taucht, es genügt derjenige einer betrachtenden Hand. Dann plötzlich scheinen das zarte Aquarell und auch der unförmige, opake Klumpen auf: es eröffnet sich ein sternklarer Abendhimmel, die bodenlose Tiefe einer fremden See.
Denn wo immer die austretende Flüssigkeit die dünnen Hohlräume zwischen Glas und Blüte ausfüllte, wo immer sie schimmlige Lachen und vielfarbige Tümpel bildend abtrocknete, war gleichzeitig auch eine Spur gelegt für das Licht, hatte sich das verborgene Bild entwickelt. Dort zeichnen sich nun die gefalteten Blütenblätter und geplatzten Staubbeutel leuchtend im Dunkeln ab, während die vom Sickersaft unerreichten Stellen in papierener Nacht verschwinden. Die Schattenseiten der Arbeiten zeigen also keineswegs in ihr Negativ verkehrte Bilder hinter Glas, sondern offenbaren vielmehr einen ihnen innewohnenden, durch eine kleine Änderung der Sichtweise und des Lichteinfalls zugänglich gemachten, vormals verborgenen Zustand.